5 x 5 x 5 zum Reformationstag 2019

flensburg

Was steckt wohl hinter dieser Formel? Rein rechnerisch ergibt es 125, am Reformationstag wie an jedem anderen Tag. Aber hier sind keine Rechenkünste gefragt, sondern es handelt sich um den Titel einer sehr spannenden Veranstaltung, die am 31.10.19 in der Flensburger Phänomenta stattfand.

Angekündigt waren 5 Impulsgeber aus 5 gesellschaftlichen Bereichen, die jeweils 5 Minuten Zeit hatten, um darzustellen, was aus ihrer persönlichen Sicht dringend zu ändern wäre. Nach jedem dieser Impulse hatten die zahlreichen Teilnehmer 10 Minuten Zeit, sich mit ihren Tischnachbarn über das Gesagte auszutauschen.

Es war eine sehr interessante Veranstaltung, die viel zum Nachdenken vermittelt hat. Ich habe sie am letzten Abend meines Urlaubs in Flensburg miterlebt und kann nur hoffen, dass der eine oder andere Impuls in Flensburg in eine Tat umgesetzt werden kann.
Und vielleicht kann ich ja durch diesen Beitrag den einen oder anderen Impuls vom äußersten deutschen Norden in südlichere Gefilde bringen.

Wer also war dabei und hat welchen Impuls gebracht?

Oberbürgermeisterin Simone Lange und die Veränderungsbereitschaft

Ein kritischer Blick auf die Gesellschaft alleine reicht nicht aus, Mut ist auf jeden Fall auch gefragt. Die Oberbürgermeisterin wünscht sich, dass das Reformationsfest eine ständige Reformationsfähigkeit und Reformationsbereitschaft auslöst. Sie stellt die Frage in den Raum, wie eine Gesellschaft erzeugt werden, die auf Dauer veränderungsbereit ist. Denn die Beweglichkeit einer Gesellschaft steht für sie für Demokratie.

Journalist Peer Axel Kröske, die Filterblase und das Klima

Die Medien befinden sich in einem ständigen Reformprozess. Die Menschen können zwischen tausenden Sendern wählen, und alle können sich austauschen. Der Umgang damit will aber gelernt sein, denn viele schreiben nur, um Likes und Anerkennung zu erhalten.
Die Reform muss in den Köpfen stattfinden, indem man in der Filterblase auf Widersprüchliches hinweist, sich mehr austauscht oder die Filterblase, d.h. die Komfortzone verlässt.

Den öffentlich-rechtlichen Sendern stellt Kröske ein gutes Zeugnis aus. Regionale Inhalte hält er aber für ausbaufähig, um vertiefende Kommunalpolitik möglich zu machen. Auch die maximale Länge von 30 bis 40 Sekunden für Nachrichten ist ihm zu knapp, um komplizierte Zusammenhänge darzustellen. Sender wie NDR-Info oder der Deutschlandfunk haben hier andere Möglichkeiten.

Abschließend berichtet er kurz von einem aktuellen Sendeprojekt im DLF, das sich mit einem weltumspannenden Netz aus erneuerbaren Energien beschäftigt. Er mahnt, dass nur noch 10 Jahre Zeit sind, um die Klimaerwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.

Praktisches Transformationsdesign mit Charlotte Dase

Die Studentin, die sich mit dem sozialökonomischen Wandel beschäftigt, fragt weniger, was schief läuft und was sich ändern lässt. Sie lädt die Zuhörer vielmehr auf eine Phantasiereise ein und zeigt ihnen, was es sein könnte, wenn es schon gut wäre.

Sie entführt uns ins Jahr 2050 an die Flensburger Hafenspitze. Wir naschen dort Früchte aus Hochbeeten und erfreuen uns an der Ruhe, denn die Stadt ist autofrei und der Nahverkehr kostenlos. Dort, wo früher Autos parkten, finden wir Kunstinstallationen und unterhalten uns bei Tee mit Menschen in verschiedenen Sprachen. Rad- und Fußwege sind selbstverständlich rollstuhlgerecht. Im ökumenischen Krankenhaus werden wir von freundlichem Personal versorgt. Das Förderwasser ist klar, der Veranstaltungsplatz eine saubere Rasenfläche, weil jeder pfleglich damit umgeht.
Unseren Hunger stillen wir in inhabergeführten Lokalen mit regionalen, tierleidfreien Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen, von denen trotzdem alle gut leben können.
Das bedingungslose Grundeinkommen macht es möglich, dass wir kürzer arbeiten, uns kreativ ausleben oder ehrenamtlich engagieren.

Pastor Manfred Vetter und das gemeinsame Abendmahl

Am Abend seines letzten Arbeitstags vor der Pension räumt der Pastor der Arche ein, dass in der Kirche alles reformbedürftig ist. Das sei allerdings ein notwendiger Prozess, da wir nicht das Ende aller Dinge sind und Leben nur durch ständige Erneuerungsprozesse möglich ist.
In den letzten 40 Jahren sind aber auch viele positive Veränderungen passiert, die er bei der Anerkennung der Freikirche und der Rolle der Frau sieht.

Sein größter Wunsch ist ein gemeinsames Abendmahl. Das Wunder der Wiedervereinigung hat 2 Länder mit unterschiedlichen Systemen und Herren zueinander gebracht. Aber ein gemeinsames Abendmahl geht nicht, bedauert er.

In den Kirchen geht es um Macht, stellt er fest. Jesus war machtlos, seine Liebe aber nicht tot zu kriegen. Wer das begreift, hat keine Angst mehr vor einem Machtverlust. Und so möchte er nicht mehr von Gläubigen, sondern von Liebenden sprechen.

Dr. Müller und der Mikrokosmos Krankenhaus

Der Chirurg gibt Einblick hinter die Kulissen eines Krankenhauses. Ein solches gilt als gesund, wenn es schwarze Zahlen schreibt. 40% der Häuser haben private Träger, die Gewinne erzielen wollen. So ist überall zu spüren, dass Gesundheit zu einem Geschäft wird.

Die in den 70er-Jahren vorhergesagte Kostenexplosion ist nicht eingetreten, denn noch immer liegen die Gesundheitskosten bei 10-12% des Bruttosozialprodukts. Gewinner sind dabei viele Ärzte, Verlierer die Krankenschwestern und das technische Personal, das oft outgesourced wird.

Der Umgang hat sich geändert, denn die Patienten werden als Kunden gesehen, stellen aber ihrerseits oft überzogene Ansprüche, die mit der Qualität der Gesundheitsversorgung nichts zu tun haben (z.B. Parkplätze).

Auch die Arbeit hat sich u.a. dadurch verändert, dass die Patienten schwerer geworden sind. Vieles wird heute als normal betrachtet, was vor 20 Jahren alles andere als normal war.

Dr. Müller ist der Meinung, dass es nichts bringt, 10 Mrd. Euro ins Gesundheitssystem zu leiten. Seiner Meinung nach ist vielmehr Bildung erforderlich. Gesundheitsvorsorge und Prävention müssen erzeugt werden.

Obwohl der Pflegenotstand schon seit 10 bis 15 Jahren bekannt ist, wird die Rendite aus den Krankenkassenbeiträgen abgeschöpft. 200 bis 500.000 Pflegekräfte werden benötigt. Dafür ist eine große politische Lösung nötig. Ein Blick über die nahe Grenze nach Dänemark würde reichen, um das System der Gemeindeschwestern zu sehen, die aus Steuergeldern finanziert werden und eine würdige Altersversorgung ermöglichen

Er erinnert noch an das bis 1985 gültige Gesetz, dass Krankenhäuser keine Gewinne machen dürfen.

Fazit

Es gibt viel zu tun und viel zu reformieren. Gefragt ist natürlich die Politik, aber auch jeder einzelne Bürger mit seinen persönlichen Beiträgen und Ideen. Damit Veränderungen nicht aus Angst oder Bequemlichkeit blockiert werden, ist es absolut sinnvoll, positive Zukunftsaussichten aufzuzeigen.