Nachhaltigkeit statt Wachstumsfalle


Das Christliche Bildungswerk Landshut hatte kürzlich Prof. Dr. Markus Schmitt von der hiesigen Hochschule zu einem Vortrag mit dem Titel „Wege in die Nachhaltigkeit und Wege aus der Wachstumsfalle“ gewonnen. Prof. Schmitt lehrt und forscht in den Fachgebieten Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen und beschäftigt sich dabei auch intensiv mit Nachhaltigkeit.

Am Anfang seines Vortrages gab er offen zu, sich in einem Spannungsfeld zu befinden, da das Wachstum der letzten Jahrzehnte durchaus auch Wohlstand gebracht hat.

Die Grenzen des Wachstums

Den roten Faden seines Vortrags bildete das 1972 erschienene Buch „Die Grenzen des Wachstums“, in dem der Club of Rome die Lage der Menschheit analysiert hatte. Ihr Modell umfasst 99 Bausteine, mit denen sie die Entwicklung der Welt beschrieben. Dazu zählen u.a. Bevölkerung, Rohstoffe, Umweltverschmutzung, landwirtschaftlich genutztes Land und Kapital. Alle 99 Bausteine stehen miteinander in Wechselbeziehung.

Vom Buch wurden stolze 30 Millionen Exemplare verkauft. Es hat das Bewusstsein für die komplexe Dynamik gefördert und verschiedene Zukunftsszenarien aufgezeigt. Es gilt zwar als Startpunkt der internationalen Umweltpolitik, hat aber trotzdem nur für geringe politische Folgen gesorgt. Und das, obwohl schon ein Jahr später, 1973, die Ölkrise für ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 4 autofreie Sonntage gesorgt hat.

Heute und morgen

Heute, 50 Jahre später, ist die Gemeinde Irlbach in Ostbayern gespalten, ob guter Boden für die Landwirtschaft erhalten bleiben soll oder ob BMW darauf eine Produktionsstandort für die E-Mobilität errichten darf.

Dass Deutschland 2045 klimaneutral ist, glauben die wenigsten der Vortragsbesucher. Prof. Schmitt stellte zudem die Frage, ob ein rein technischer Ansatz mit E-Autos, erneuerbaren Energien und einem CO2-Ausgleich ausreichend sein kann. Er gab zu bedenken, dass CO2 120 Jahre in der Atmosphäre bleibt und somit ein sehr langfristiges Denken notwendig ist.

Ressourcenverbrauch

Aktuell werden der Erde pro Kopf und Tag 35 kg an Ressourcen entnommen. Dazu zählen Kies, Sand, Granit, Erze, fossile Energieträger, Holz und Tiere, aus denen Produkte zur Deckung gesellschaftlicher Bedürfnisse entstehen. Ein Drittel davon geht z.B. in Form von Gebäuden in den Bestand. 15% werden über fossile Brennstoffe in die Atmosphäre abgegeben, 22% in die Umwelt verteilt, wobei längst nicht alle Abfälle dem Recycling zugeführt werden. Der globale Ressourcenverbrauch legt jedenfalls ein exponentielles Wachstum hin.

Natürlich hat der Ressourcenverbrauch auch das Wachstum gefördert. Auf der Negativseite aber stehen die Auswirkungen auf das Klima und etliche Risiken, die aus der Abgabe vieler neuer Substanzen in die Umwelt entstehen.

Anthropozän

Wir befinden uns in diesem Zeitalter, in dem der Mensch den größten Einfluß auf die Weiterentwicklung der Welt nimmt. In Deutschland benötigen wir die 3-fache Biosphäre, weltweit die 1,7-fache.

Nachhaltigkeit braucht soziale Aspekte

Im Weltmodell des Club of Rome fehlen soziale Aspekte. Diese sind aber nach Aussage von Prof. Schmitt für die Nachhaltigkeit notwendig. Ein soziales Fundament umfasst Wasser, Nahrung, Bildung, Wohnen, Netzwerke, Gesundheit, Frieden und Gerechtigkeit. Tatsächlich lebt aber 8% der Weltbevölkerung unter der Armutsgrenze. 1% der Weltbevölkerung besitzt 50% des Gesamtvermögens, während 50% der Weltbevölkerung nur 1% des Vermögens besitzen.

In allen Ländern der Welt ist erkennbar, dass die reichsten Menschen auch die höchsten CO2-Emissionen verursachen. Die planetaren Grenzen sind überschritten, und das soziale Fundament ist nicht für ausreichend viele Menschen gegeben. Nachhaltigkeit muss dringend mit ökologischer Tragfähigkeit, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kombiniert werden.

Wachstumszwang

Warum wird vielfach gesagt, dass ein Wachstum zwingend notwendig ist? Weniger Arbeit bedeutet weniger Konsum, Produktion und Investitionen. Mit mehr Investitionen steigt die Produktion. Es werden aber auch mehr Ressourcen verbraucht, die Ökosysteme höher belastet und die Atmosphäre übernutzt. Das zerstört die Produktionsgrundlagen, so dass die Produktion wieder sinkt.

Earth for all

Unter diesem Titel ist der Nachfolgebericht von „Grenzen des Wachstums“ erschienen. Darin sind über 2.000 Variablen enthalten. Es gibt u.a. ein Index für Wellbeing, und sowohl der öffentliche als auch der Finanzsektor werden nun im Modell berücksichtigt.

Auswege

Ein Ausweg könnte grünes Wachstum sein, das Stoffkreisläufe und Recycling in den Vordergrund stellt. Alleine wird es aber nicht ausreichend sein.

Andere Ansätze sind De-growth, das gesellschaftliches Neuland darstellt, für das auch psychische Ressourcen benötigt werden oder die Gemeinwohlökonomie, die verlangt, dass das Wirtschaften dem Gemeinwohl dient.

Patentrezepte konnte Prof. Schmitt nicht bieten. Seiner Meinung nach befinden wir uns in der Crunch Time, also der Zeit zwischen dem Ende eines Spiels bis zur Entscheidung über dessen Ausgang. Es gilt, die Diskussion aufzubrechen und kontrovers zu führen. Nachdenkprozesse und Bildung sind notwendig, weil wir mental zu sehr in Technologien denken und noch immer dem Wachstum folgen. Es gibt zwar vielversprechende Technologien, aber ebenso Widerstände dagegen. Deshalb müssen W-Fragen gestellt werden:

  • Was: Transformationsfelder wie z.B. Energie, Mobilität, Ernährung
  • Wer: Akteure wie z.B. Politik, Unternehmen, Individuen
  • Wie: Interventionsarten
  • Wo: Reichweite wie z.B. lokal oder global
  • Wann: Reichweite in zeitlicher Hinsicht

Aus den möglichen Schwerpunkten ergeben sich 2.800 Kombinationen, aus denen sich in kleinen Schritten hilfreiche Antworten und interessante Lösungen entwickeln können.

Das Christliche Bildungswerk Landshut wird das Thema in weiteren Veranstaltungen aufnehmen und hoffentlich vorantreiben.