Villa Sinnenreich: Ihre Sinne werden Sie täuschen

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Ich stehe da und staune. Ich sehe Dinge, die es eigentlich gar nicht gibt. Nein, ich bin weder betrunken noch anderweitig berauscht. Ich bin ganz einfach in der Villa Sinnenreich in Rohrbach in Oberösterreich. Was so einfach Museum der Wahrnehmung genannt wird, hat es in sich. Plötzlich sieht man seine eigenen Augen mit ganz anderen Augen…

necker-wuerfelLos geht’s im Eingangsbereich mit verschiedenen Kippfiguren. Links der Necker-Würfel. Wo sehen Sie das schwarze Karo?  Wenn Sie es auf der Vorderseite sehen, haben Sie Recht. Wenn ich es auf der Rückseite sehe, habe ich genauso Recht. Wir betrachten beide das gleiche Objekt und sollten uns nicht streiten, wer denn mehr Recht hat. Es ist nämlich keiner, denn beide Sichtweisen sind völlig in Ordnung. Erinnern Sie sich einfach mal an den Necker-Würfel, wenn Sie das nächste Mal zu jemandem sagen möchten „Du siehst das ganz falsch!“.

Aber erstmal weiter im Rundgang durch die Villa Sinnenreich. Bei den Sonderführungen im Rahmen der Langen Nacht der Museen kriegen wir kleine dreiseitige Papiergebilde in die Hand, die – mit einem Auge betrachtet – 3-dimensional werden und zu schweben beginnen. Auch der Papphund wird plötzlich plastisch und bewegt sich…Hilfe! Wie gibt es so etwas? Nur weil ein Auge geschlossen ist?

Faszinierend, aber besser erklärbar sind die nächsten Experimente mit Spiegeln. Zwei Wackelkopf-Hunde sitzen in einer verspiegelten Kiste. Schaut man über die Kante hinein, wimmelt es nur so von Hunden…

Im Spiegel-Oktogon kommt mir später der Buchtitel von Richard David Precht „Wer bin ich und wenn ja , wie viele?“ in den Sinn.

 

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Leicht schwindelig kann es im „drunken cube“ werden, und das, um es nochmal zu wiederholen, ganz ohne Alkohol. Eigentlich verschieben sich nur weiße Linien, die im sonst dunklen Würfel an die Wand projeziert werden. Erklärt wird das Ganze wie folgt: „Da die kollektiven Wahrnehmungsmuster auf Grund unserer Kulturgeschichte durch vertikale und horizontale Raumbeschreibungskanten geprägt sind, löst diese Erfahrung Irritation, Unsicherheit und Schwindel aus.“ Schnell wieder raus aus dem Kubus also. Aber draußen geht es mit der Verwirrung nur munter weiter.

Schwarze Kanthölzer hängen scheinbar wahllos kreuz und quer von der Decke. In der Mitte ist ein Punkt auf dem Boden markiert, auf den sich die Besucher stellen und dann in den gegenüberliegenden Spiegel schauen sollen. Wozu wird der „Explodierte Raum“? Zu einem gleichmäßigen Gebilde, so dass man den Eindruck hat, unter einem großen Tisch zu stehen. Hmm, wie war das mit den vertikalen und horizontalen Kanten?explodierter-raum

 

Schauen Sie auf dem Foto in die untere Ecke des Raums. Der Kubus dort scheint 3-dimensional zu sein, oder? Schaut man ihn aber von oben an, ist er ziemlich flach und verwinkelt, aber sicher nicht groß und flächig. Hier zeigt sich, dass die Position des Betrachters über seine Wahrnehmung entscheidet. Ein Satz, den man in schwierigen Situationen ebenfalls als Hilfe parat haben sollte.

Zur Entspannung geht es anschließend ins große begehbare Kaleidoskop. Dafür heißt es Schuhe aus- oder Filzpantoffeln und Handschuhe anziehen, damit die Spiegel am Boden nicht beschädigt und die Wände ohne Fettfinger-Spuren berührt werden können. Da es den Augen nicht gelingt, für die volle Orientierung zu sorgen, braucht man hier und da tatsächlich die Hände, um den richtigen Weg zu finden. Steht man drin im Kaleidoskop, kann man die mitgenommenen neonfarbige Tücher schwenken, um interessante Farbeffekte zu erzielen.

Kennen Sie Cellophan aus der Küche? Es ist durchsichtig und farblos, oder? Ja, aber…

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In der Villa Sinnenreich kann gefaltetes Cellophan dank zweier Spezialfolien auf einer Lichtquelle bunt schillern. Wie es funktioniert, ist mir schon fast egal. Ich geniesse einfach das tolle Farbspiel.

plasmakugel

Völlig gefahrlos kann man in der Villa Sinnenreich Blitze berühren. Das geht natürlich nur, wenn sie aus einer Plasmakugel stammen. Legt man den Finger außen auf das Glas, zieht der Blitz dorthin. Am Finger bildet sich Ozon, das eine gesundheitsfördernde Wirkung haben soll. Also: Blitz erzeugen und Finger an die Nase halten. Es riecht ungewöhnlich, aber nicht unangenehm. Und wenn es hilft, warum nicht? Magisch schaut es zudem aus.

Das nur ein Auszug aus den Exponaten und Sinneseindrücken, die man in der Villa Sinnenreich erleben kann. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man alles genau ausprobieren und studieren möchte. Planen Sie also mindestens 2 Stunden für den Besuch ein.

Die gleiche Zeit brauchen Sie nochmal für den Wanderweg sinnenreich, der von der Villa über 6 km durch Rohbach, über die Felder und durch den Wald führt. An vielen interessanten Stationen kann weiter experimentiert werden. Außerdem gibt es Denkanstöße zum Mitnehmen. Mehr dazu folgt in einem separaten Beitrag.

Alle wichtigen Besucherinformationen gibt es auf der Internet-Seite des Museums. Es ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Umgebung des Mühlviertels und Böhmerwaldes eignet sich übrigens auch bestens für einen schönen Urlaub.