„Mit jedem Schritt und Tritt, welchen wir in der Natur machen, begegnen wir immer wieder neuen Pflanzen, die für uns höchst nützlich und heilbringend sind.“
Sebastian Kneipp
Die Heilpflanzen wurden dem jungen Sebastian Kneipp von seiner Mutter nähergebracht. Sie besserte die spärliche Haushaltskasse der Familie auf, indem sie Heilkräuter sammelte und auf dem Markt verkaufte. Synthetisch hergestellte Wirkstoffe waren damals noch rar – Aspirin kam erst in Kneipps Todesjahr 1897 auf den Markt – und für die meisten Menschen unerschwinglich. Kneipp nahm das Wissen der Mutter auf und erzielte bei seinen Patienten mit mild wirkenden heimische Pflanzen große Erfolge.
Inzwischen wurden unzählige Heilpflanzen wissenschaftlich untersucht, ihre Inhaltsstoffe und Wirkungen ermittelt und wie bei Medikamenten in Monografien dargestellt.
Teamwork aus Inhaltsstoffen
Heilpflanzen punkten mit einer Kombination aus mehreren Inhaltsstoffen, die sich gegenseitig unterstützen. Bei Katharren der Atemwege erleichtern beispielsweise Saponine in der Königskerze das Abhusten des Schleims, während die Schleimstoffe die angegriffene Schleimhaut beruhigen. In anderen Pflanzen verbessern Saponine die Aufnahme des Hauptwirkstoffs. Die Weidenrinde lindert mit ihren Salicylaten nicht nur rheumatische Beschwerden sondern ebenfalls die dabei auftretenden Schmerzen. Oft wirken die pflanzlichen Wirkstoffe auch schonender und ohne Nebenwirkungen der synthetischen Stoffe.
Einführung in die Heilpflanzenkunde
Der sinnvolle und vor allem sichere Einsatz von Heilpflanzen erfordert einige Kenntnisse, vor allem wenn man Heilpflanzen in der Natur sammeln oder im eigenen Garten anbauen möchte. Welche Pflanzen eignen sich dafür? Wo besteht Verwechslungsgefahr mit Giftpflanzen? Welche Teile der Pflanze sind medizinisch relevant? Wie erfolgt die Zubereitung und wie die Anwendung? Das sind nur einige der Fragen, die geklärt werden müssen, damit nur die gewünschte Wirkung eintritt. Auch wenn nur mild wirkende Heilpflanzen verwendet werden, gibt es doch einige Kontraindikationen zu beachten, besonders wenn Kinder oder Schwangere im Spiel sind oder andere Erkrankungen vorliegen. Manche Pflanzen wie z.B. Baldrian müssen über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um wirken zu können. Andere Pflanzen wie z.B. Salbei sind nicht für den Dauergebrauch geeignet. Auch muss man wissen, wo die Grenzen der Heilpflanzen liegen und wann ein Arztbesuch angesagt ist.
Genuss für alle Sinne
Die Beschäftigung mit Heilpflanzen spricht alle Sinne an. Die Nase kommt bei Duftpflanzen und ätherischen Ölen ins Spiel, die Finger können weiche oder borstige Blätter befühlen, während die Zunge zwischen bitteren oder harmonischen Geschmäckern unterscheiden kann. Sobald man sich intensiver mit Heilpflanzen beschäftigt, werden die Augen laufend neue Entdeckungen machen und jeden Spaziergang durch vorher nie dagewesene Pausen verlängern. Wege bekommen so ganz neue „Gesichter“, und der Anreiz, in die Natur zu gehen, wird noch größer.
Zum Einstieg kann man sich auf einige wenige Pflanzen beschränken und im Frühjahr ein paar Löwenzahnblätter in den Salat oder ein paar Brennnesselblätter ins Smoothie mischen. Dann kommt vielleicht das erste Kräutertöpfchen in die Küche, ein paar Ringelblumensamen in den Blumenkasten oder ins Beet – und so steigert sich der Umgang mit Heilpflanzen langsam aber sicher, bis ein bunter Aufstrich aus Bergkäse und Wildkräutern auf dem Tisch steht.
Den Fenchel für die Blähungen oder die Kamille für das Dampfbad bei Schnupfen kann man natürlich auch in der Apotheke oder im Bioladen kaufen, um nicht in Gärtnerstress zu kommen.