Die Mariannengasse und Viktor Frankl

viktor frankl

Ein Buch von Viktor Frankl habe ich schon vorgestellt. Nun geht der Blick in seine Biografie, die mit dem Titel „Begegnungen in der Mariannengasse 1“ im Tyrolia Verlag erschienen ist. Viele Bilder zeigen seine langjährige Wohnung und Praxis und das Leben des bemerkenswerten Logotherapeuten.

Viktor Frankl war ein bescheidener Mensch, der bis zu seinem Lebensende gearbeitet hat. Bekannt wurde er mit seiner Logotherapie (Logos = Sinn), mit der er die geistige und personale Dimension des Menschen sowie die innerpsychische und soziale Dimension betonte. Die letzte Vorlesung heilt er im Oktober 1996 im Alter von 91 Jahren!

Sein Leben begann am 26.3.1905 in Wien und war alles andere als leicht. Bekannte Zeitgenossen der Psychologie waren Alfred Adler und Sigmund Freud. Adler war Frankls Nachbar, mit Freud pflegte er Briefkontakt. Der Psychoanalyse konnte er einiges abgewinnen, musste allerdings 2 Jahre Geduld aufbringen, bis es Freud gelang, einen Bericht von Frankl in der Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse zu veröffentlichen.

1926 positionierte er sich mit einem Grundsatzreferat beim Internationalen Kongress für Individualpsychologie als unabhängiger Denker. Das kam nicht gut an, denn 1927 wurde er auf Adlers Wunsch aus dem Verein für Individualpsychologie ausgeschlossen. Das war auch das Aus für seine eigene Zeitschrift „Der Mensch im Alltag“. Er hatte somit kein Forum mehr und auch nur noch wenige Freunde unter den Individualpsychologen.

Er liess sich aber schon damals nicht unterkriegen und gründete 1928/29 mehrere Jugendberatungsstellen. 1930 schloss er sein Medizinstudium ab und wurde Facharzt für Neurologie und Psychologie. Von 1933 bis 37 leitete er den Selbstmörderinnenpavillon an der Psychiatrischen Klinik Steinhof, wo er die Psychotherapie mit menschlichem Antlitz einführte.

1937 eröffnete er seine Privatpraxis für Neurologie und Psychologie. Anfang 1938 brach allerdings der Judenhass aus. Durch seine Arbeit im Rothschildspital genoss er zumindest zunächst Deportationsschutz und lernte dort auch seine erste Frau Tilly kennen. Ein gemeinsames Kind musste sie allerdings abtreiben, weil ihr andernfalls die sofortige Deportation gedroht hätte.

frankl-bioIm Oktober 1941 hilt Frankl ein Amerikavisum in den Händen. Er liess es allerdings zu Gunsten seines Lebenswerks und seiner Eltern, die er nicht alleine zurücklassen wollte, verfallen.

Im September 42 erhielt er den Deportationsbescheid, gerade in der Zeit, als er an seinem Buch „Ärztliche Seelsorge“ arbeitete. Das Skript hatte er voller Hoffnung in seinen Mantel eingenäht, der ihm aber leider abgenommen wurde. Trotzdem ist es ihm später gelungen, das verlorene Werk zu rekonstruieren.

Bis 1945 durchlief er 4 verschiedene Lager, verlor seine Familie und seine Frau, aber nie seinen Mut. Nach der Befreiung im Mai 45 bezog er in Wien ein kleines Zimmer. Mehr als seine Brille und ein paar Notizen hatte er nicht mehr.
Der Geist war aber intakt, und so dauerte es nur 9 Tage und Nächte, bis er seine Erlebnisse für „Ein Psychologie erlebt das KZ“ diktiert hatte.

Im Februar 1946 wurde er Primarius für Neurologie und Vorstand der Neurologischen Abteilung der Poliklinik. Er lernte Eleonore Schwindt kennen. Sie heirateten 1947 und freuten sich über die Geburt der Tochter Gabriele. Seine Frau war fortan seine treue Assistentin, die sowohl seine Bücher als auch seine Briefe tippen durfte.

Sie waren auch viel auf Reisen. Für touristische Erlebnisse blieb allerdings kaum Zeit, denn das Programm mit Seminaren und Vorlesungen war immer prall gefüllt.

Ein wenig Zeit blieb Frankl aber dennoch für Hobbies. Er liebte das Fliegen, machte auch den Pilotenschein, und war zudem ein guter Kletterer. Auch mit seinen Enkelkindern beschäftigte er sich gerne.

In der Frankl’schen Küche durften weder Cornflakes noch Kaffee fehlen. Wenn er am Herd stand, gab es Logotherapeutengröstl…

Seine Zeit im KZ hatte ihm eine Herzmuskelschwäche eingebracht. Eine Netzhautdegeneration machte ihm später auch zu schaffen, und mit 90 war er komplett erblindet. Aber auch das nahm er leicht. Es hätte ihm ja durchaus schon früher passieren können, und deshalb sei er froh, dass es erst jetzt der Fall war, meinte er dazu.

Am 2.9.1997 starb er an den Folgen einer Herzoperation. Seine Logotherapie hat bis heute überlebt, und seine Vorbildfunktion im Umgang mit Schicksalsschlägen wird hoffentlich nie vergehen.

Hier noch die kompletten Angaben zum Buch:

Eleonore Frankl; Alexander Batthyány; Marie Czernin; Juliane Pezold; Alexander Vesely
Viktor Frankl Wien IX
Erlebnisse und Begegnungen in der Mariannengasse 1. Eine Biographie in Bildern
Tyrolia Verlag
ISBN 978-3-7022-2633-6