Gehirnentwicklung in der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr


Es beginnt mit einem 3 mm langen Neuralrohr. Daraus entwickelt sich während der Schwangerschaft das Gehirn mit einem Tempo von einigen tausend Neuronen pro Minuten. Das ist nur eines der vielen Wunder der Natur, wenn ein Mensch entsteht.
Bereits im Mutterleib werden zudem die Weichen für Gesund- oder eher Krankheit gestellt. Krankheit wurde als Funktion aus den Genen und der pränatalen Umwelt ermittelt. Erlebt eine Schwangere besonderen Stress durch den Verlust des Partners oder eines Kindes, steigt ihre Cortisolproduktion. Zwar gibt es ein Enzym zum Schutz des fetalen Systems, das bei akutem Stress auch noch hochreguliert wird. Etwa 20% des Cortisols kann diese Sperre aber dennoch passieren. Bei extremen Stressbelastungen wurde festgestellt, dass die Telomere an den Enden der Chromosomen sowohl bei den werdenden Müttern als auch den Kindern verkürzt waren. Stress hat außerdem Einfluss auf die Insulinresistenz, Immunfunktion, Gedächtnisleistung und Zellalterung.

Forschungsarbeiten sind in diesem Bereich natürlich besonders schwierig, da die Probanden nicht gefährdet werden dürfen. Begrenzter Prüfungsstress schadet dem Kind aber nicht.
Stress kann zudem nicht nur von der Mutter auf das Kind übertragen werden, sonden auch vom Vater über die Samenzellen weitergegeben werden.

Entwicklung
Die Plastizität des Gehirns ist in frühen Lebensphasen besonders stark ausgeprägt. Kinder haben ein angeborenes Interesse an der menschlichen Stimme. An erster Stelle steht die Stimme der Mutter, die das Kind bereits im Mutterleib über die Knochenleitung gehört hat. So erkennt es die Mutter schon wenige Tage nach der Geburt an der Stimme, am Geruch und an der Außenkontur des Kopfes. Gesichter sind für Babys ebenfalls sehr interessant. Die Beobachtung konzentriert sich auf die Augen, die mit ihrem hohen Weiß-Anteil einen frühen Blickkontakt ermöglichen. Endet eine Interaktion abrupt und stellt das Kind trotz Grimassen keine Reaktion seines Gegenübers mehr fest, stellt sich Verzweiflung ein.
Nach 7 Monaten können Kinder fremde und vertraute Personen unterscheiden, nach etwa 8 Monaten sind schon Kategorien möglich, die Tiere und Menschen trennen. Am Ende des 1. Lebensjahrs gelingt ihnen emotionales und soziales Referenzieren und der versichernde Blick zu Mutter oder Vater.
Natürlich sind die Untersuchungsmöglichkeiten bei kleinen Kindern ebenfalls begrenzt. Es können nur die Hirnströme gemessen werden, die Spannungsveränderungen auf der Kopfhaut anzeigen. Was in tieferliegenden Schichten des Gehirns passiert, bleibt (noch?) verborgen.

Kindliches Trauma
Erleidet ein Kind allerdings ein frühes Trauma, führt dies zu veränderten Hormonmengen im Gehirn und einem verkleinerten Hippocampus. In Kombination mit einem bestimmten Gen steigt die Anfälligkeit für Depressionen. Hier öffnet sich ein weites Feld, denn bei Depressionen kann sich auch die Beziehung zwischen Mutter und Kind ändern. Bleibt für die Beteiligten zu hoffen, dass sie die richtige Interventionsart finden.

Quellen: Vortäge beim Symposium “Das soziale Gehirn” im September 14 von Prof. Dr. Sabina Pauen und Prof. Dr. Sonja Entringer, Headerbild vom Programmheft.