Karl Valentin und die Psychohygiene gegen Ärger

karl valentin regen

“Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.”

Dieser weise Spruch stammt vom bayerischen Komiker Karl Valentin. Sicher hat er weder etwas von Mentaltraining noch von Psychohygiene gewusst, aber seine Aussage passt perfekt ins Thema. Nutzen wir diese Tatsache, um anschaulich zu erklären, dass jeder selber für seine Stimmung verantwortlich ist.

Beginnen wir mit einer kurzen sprachlichen Analyse, die helfen könnte, falls Sie verwundert oder vielleicht sogar empört fragen, wie man sich denn freuen kann, wenn es regnet.
Karl Valentins Freude steht nicht in kausalem Zusammenhang zum Regen, denn er sagt ja nicht “Ich freue mich, weil es regnet.” Der zweite Satz macht klar, dass der Regen und die Freude zwei zeitlich parallel verlaufende Aktivitäten sind, die im Grunde unabhängig voneinander sind. Denn wenn sie in einer Abfolge stünden, hätte Valentin auch sagen können: “Ich freue mich, falls es regnet.” Das wäre eine Vorankündigung eines grantigen Menschen, der sich erst dann freut, wenn Regen einsetzen sollte. Deutsche Sprache, schwere Sprache….Lassen wir diese Analyse und betrachen wir andere Aspekte.

Annahmen hinterfragen
Angesichts der großen Hitze und langen Trockenheit wäre es derzeit sogar verständlich, dass sich jemand über Regen freut. Da hätte man also für den ersten Satz alleine durchaus Verständnis. Erst in Kombination mit dem zweiten Satz zeigt sich aber, dass in der Kombination die implizite Aussage enthalten ist, dass Regen etwas Negatives und kein Grund zur Freude ist.
Das ist ein Beispiel dafür, wie Aussagen blitzschnell im Gehirn verarbeitet und mit einer Reaktion quittiert werden, die uns aus dem Unbewussten als passend geliefert wird. Das verbraucht im Gehirn wenig Energie und gilt als effizient. Nicht immer erweisen sich aber solche schnellen Reaktionen im Nachhinein als angemessen. Deshalb wäre es in manchen Situationen ratsam, die Reaktion bewusst hinauszuzögern, sich Zeit zum aktiven Nachdenken zu nehmen, Annahmen zu hinterfragen und erst dann angemessen zu reagieren.

Gegebenes hinnehmen

Karl Valentin kann den Regen nicht stoppen und muss ihn als gegeben hinnehmen. Er akzeptiert das IST und verschwendet keine Energie dafür, sich zu ärgern oder zu klagen. Das ist klug, den mit Ärger überflutet er seinen Körper nur mit Stresshormonen, steckt seine Umgebung mit seiner negativen Stimmung an und schränkt seine Gehirnleistung ein. In Zeiten, als der Säbelzahntiger noch eine Gefahr darstellte, war es angebracht, zu flüchten, sobald verdächtige Geräusche aus dem Gebüsch zu hören waren. Auf der Flucht wurden die Hormone dann auch wieder abgebaut – was beim Regen allein aber nicht passiert.

Indem Valentin seine Stimmung von äußeren Gegebenheiten entkoppelt, schafft er Raum für etwaige Reaktionen. Denn angenommen, der Regen fordert im Straßenverkehr erhöhte Aufmerksamkeit, ist diese in guter Stimmung viel besser zu erreichen als unter Ärger.

regenbogenAuf Regen folgt irgendwann auch wieder Sonnenschein. Und wenn beides kombiniert wird, bietet die Natur wunderbare Schauspiele. Es hat also alles sein Gutes – von Unwettern mal abgesehen. Aber selbst die lassen sich durch Ärger nicht rückgängig machen, sondern fordern leistungsfähige Helfer, um die Schäden zu beseitigen.

Hilfreiche Fragen

Wenn Sie also das nächste Mal merken, dass Ärger ihn Ihnen hochsteigt, atmen Sie ein paar Mal tief durch und denken Sie an Karl Valentin. Stellen Sie sich dann eine oder mehrere der folgenden Fragen:

  • Ändert sich an der Situation etwas, wenn ich mich darüber ärgere?
  • Welchen positiven Aspekt kann ich der Situation abgewinnen?
  • Was müsste sich ändern, damit ich nicht mehr meine, mich ärgern zu müssen?
  • Kann ich aktiv etwas tun, um diese Veränderung herbeizuführen oder zumindest anzustoßen?
  • Ist das, worüber ich meine, mich ärgern zu müssen, real oder nur meine Interpretation? Diese Frage hilft besonders, wenn Sie sich von einer Person unpassend behandelt fühlen.

Allein mit diesen Fragen werden Sie aktiv und fühlen das Steuer in Ihrer Hand. Denn niemand und nichts kann Sie ärgern, wenn Sie es nicht selber zulassen. Probieren Sie es einfach mal aus – und berichten Sie gerne über Ihre Erfahrungen in den Kommentaren.