Das anständige Unternehmen nach Reinhard K. Sprenger

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Hätte Reinhard K. Sprengers aktuelles Buch „Das anständige Unternehmen“ nicht diesen orangefarbenen Kreis mit dem Untertitel könnte man schnell ins Grübeln kommen. Was ist ein anständiges Unternehmen? Eines, das nicht unanständig ist? Das also nichts Illegales tut und in keine Skandale verwickelt ist? Das sicher auch, aber Sprenger geht es um die richtige Führung, die er in Zeiten, wo laufend mehr verlangt wird, zum Weglassen ermutigt mit:

„Nicht alles mitmachen, was sich gerade auf dem aufsteigenden Ast der Worthülsenkonjunktur befindet.“

An Hand von 5 Prinzipien mit insgesamt 24 Unterpunkten erklärt Sprenger, wo Nicht-mehr-Handeln seiner Meinung nach angesagt ist. Er nennt die „wirtschaftsethisch abschüssigen Zeiten“ als Begründung, in denen die Kosten für innere Kündigungen und Dienst nach Vorschrift in die Milliarden gehen. 

Anständig bedeutet für Sprenger vor allem anders, während er nicht-anständig (also nicht un-anständig) mit Konformitätsdruck, Angst und unnötigen Transaktionskosten gleichsetzt. Sein Buch bezeichnet er selber als

„Anti-Verkrustungs-Fibel“ und „Manifest für das heraufziehende Innovationszeitalter“.

Das sagt eigentlich alles, und macht auch klar, dass Führungskräfte keine Schritt-für-Schritt-Gebrauchsanweisung erwarten dürfen. Denn das käme ja dem „one-size-fits-all“ gleich, das Sprenger nicht nur in diesem Buch ablehnt. Natürlich schreibt er für die Praxis, aber jeder Leser muss selber denken, sich mit Sprengers Aussagen kritisch auseinandersetzen, sie als Denkanstöße nutzen und für sich und die jeweilige Situation die passenden Schlussfolgerungen ziehen.

Aber ob das wohl funktioniert? Denn Sprenger ortet in vielen Organisationen „Silodenken und Reparaturintelligenz“ und beklagt das Fehlen der „geistigen Voraussetzungen, um den zukünftigen Herausforderungen auch nur angemessen begegnen zu können.“ Papier ist zwar geduldig, aber hoffentlich gelingt es damit trotzdem,

„die geistige Trägheit“ zu „bekämpfen, das gleichgerichtete und gleichrichtende „Alle-machen-das!“.“

Also muss ein NEIN am Anfang stehen, damit mit etwas aufgehört und Platz für Neues geschaffen werden kann. Sprengers Nein gilt für viele Dinge, die in Unternehmen bekannt und beliebt sind (wenn auch nicht immer auf allen Ebenen) wie z.B.:

  • Zielvereinbarungen
  • Identifikation und Vorbilder
  • Motivierung
  • Mitarbeiterbefragungen und -gespräche
  • Gesundheitsförderung
  • Ranking
  • Frauenförderung
  • Bürokratie
  • Englisch
  • Transparenz

Eine bunte Mischung, über die sich trefflich streiten lässt, wenn man es bei den Begriffen alleine belässt. Verurteilen Sie das Buch aber nicht, bevor Sie es aufmerksam gelesen haben! Denn dann werden Sie herausfinden, dass sich Sprenger gegen Konformismus, Anpassertum, Gesichtslosigkeit und die Arbeit als einzigen Lebensunterhalt wendet. Seine Begriffe für die Zukunft lauten denn auch:

  • Ausnahmen und Abweichungen
  • das Besondere
  • Engagement
  • Autonomie und Eigenverantwortung mündiger Menschen
  • kreative Mitarbeiter
  • Kombination statt Addition

Der zentrale Punkt in all diesen Begriffen ist natürlich der Zweck des Unternehmens – der sich wohl um die Kunden und den Markt drehen sollte, oder? Hierzu liefert Sprenger ein amüsantes Beispiel in seiner knackig Sprache, die es ganz einfach auf den Punkt bringt. Er berichtet vom Vortrag eines Vorstandsvorsitzenden, in dem es von Zahlen, Charts und Diagrammen nur so wimmelt.

„…Power-Point-Karaoke. Irgendwann dämmert es mir, was das Unternehmen verkauft. Zahlen! Der Sinn des Unternehmens ist es, Zahlen zu verkaufen!“

Führungskräfte dürfen also nicht die Menschen verändern, aber die Strukturen gleich lassen (wollen). Ein kluger Schritt ist allerdings, die Mitarbeiter ihren Fähigkeiten entsprechend einsetzen, was schwache Leistungen schnell beheben kann. Ist das nicht möglich, müssen Trennungen einfacher werden. Damit erntet Sprenger sicher einiges an Kritik. Er meint aber nicht den miesen Rauswurf, sondern eine langfristig angekündigte, faire und finanziell abgefederte Trennung.

Übergreifend argumentiert er, dass kein Unternehmen – sondern nur der Markt – eine unbegrenzte Arbeitsplatzgarantie geben kann. Das Unternehmen kann allerdings die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter verbessern, um die Fluktuation zu begrenzen, die Sprenger allerdings noch immer besser findet als die innere Kündigung.

Aber die Ingenieure sind bei alledem fein raus, weil in ihrer Zunft ja Fachkräftemangel herrscht, oder? Weit gefehlt, meint Sprenger. Denn wenn dem so wäre, müssten ihre Gehälter ja sonstwohin steigen. Warum sie sogar leicht sinken überlässt er den Gedanken oder Recherchen der Leser.

Mit einem letzten Sprenger-Sager möchte ich Lust auf’s Lesen machen – nicht nur den heute schon zukunftsfähig denkenden und agierenden Menschen als Ermutigung, dass sie auf dem richtigen Weg sind, sondern auch allen, die zumindest erkannt haben, dass es so nicht weitergehen kann:

„Etiketten sind für Flaschen, nicht für Menschen.“

Buchdaten:
Reinhard K. Sprenger
Das anständige Unternehmen
Was richtige Führung ausmacht – und was sie weglässt
Deutsche Verlags-Anstalt München
Hardcover, 381 Seiten
ISBN 978-3-421-04706-9