Eric Kandel: live ein Erlebnis


Der Zufall meinte es gut mir mir: Genau während meiner Ausbildung zum Ganzheitlichen Gedächtnistrainer in Frankfurt/Main verlieh die Hertie-Stiftung ihre beiden Neurowissenschaftspreise. Kaum hatte ich die Anzeige in Gehirn und Geist gesehen, lag meine Eintrittskarte auch schon im Drucker und war die Info an Kursleiterin geschickt. Denn Nobelpreisträger Erik Kandel, über den wir im vorherigen Kurs gesprochen hatten, live zu erleben, das wäre doch was für alle.

In der Tat war es ein Erlebnis mit verschiedenen Facetten. Den bleibendsten Eindruck hinterließ erwartungsgemäß Eric Kandel. Er ist mit seinen 86 Jahren in jeder Hinsicht bewundernswert fit und war ein höchst interessanter Diskussionsteilnehmer. Besonders sein herzliches Lachen wird uns in Erinnerung bleiben und als Vorbild dienen. Auch die beiden norwegischen Nobelpreisträger May-Britt und Edvard Moser präsentierten sich publikumsnah und keinesfalls wie abgehobene Wissenschaftler oder gar Stars. Alle drei plauderten über die Momente, in denen sie von der Verleihung des Nobelpreises erfahren hatten. Kandel berichtete schmunzelnd, dass seine Frau Denise auf eine späte Verleihung gehofft hatte, da sie der Ansicht war, dass ihr Mann mit dem Preis nur noch auf Diskussionsveranstaltungen anzutreffen wäre und dadurch geistig absterben würde. Alle drei waren sich jedoch einig, dass der Nobelpreis eine gute Gelegenheit war, ihre Wissenschaft der Gesellschaft näher zu bringen.

Forschung braucht Zeit, die an Deutschen Hochschulen allerdings Mangelware ist. Hohe Studentenzahlen und Programmforschung nach politischen Vorgaben bringen die Unis in eine schwierige Lage, so Prof. Dr. Hegemann, der Gewinner der Senior-Forschungsprofessur für Neurowissenschaften. „Die Luft der Freiheit“, wie sie – deutsch! – im Logo von Stanford verankert ist, wäre auch in Deutschland dringend nötig. Es gilt, die kritische Urteilsfähigkeit bei Studenten zu fördern und nicht die Anhäufung von Wissen, so der Preisträger. Mit 1 Mio Euro hat er nun etliche Jahre Zeit, interessensgetriebene Forschung zu betreiben und hoffentlich weitere so wichtige Dinge zu entdecken wie die Optogenetik.

Seit Anfang der 80er-Jahre forscht er in diesem Bereich, der sich inzwischen als Glücksfall für die Neurowissenschaften erwiesen hat. Hegemann fand in Algen bestimmte Eiweiße, die auf Licht reagieren. Bringt man diese in andere Lebeweise ein, lassen sich Nervenzellen quasi an- und abschalten und einzeln stimulieren. Daraus entstand eine nicht-invasive Möglichkeit, einzelne Nervenzellen zu beobachten.

Auch wenn Preise an Einzelpersonen verliehen werden, sind Forschungsergebnisse immer Teamarbeit. Das betonten nicht nur die Nobelpreisträger, sondern auch die beiden Preisträger des Abends, Prof. Dr. Hegemann und Prof. Dr. Yasser Roudi, in ihren Dankesreden.

hertieWas hat von Freuds Erkenntnissen heute noch Bestand und was haben die Neurowissenschaften inzwischen widerlegt? Zu diesem Thema diskutierten Prof. Kandel und Dr. Mark Solms zum Abschluss. Beide lobten Freuds Arbeit, die ein wichtiger Grundstein für die heutigen Erkenntnisse gelegt hat. Besonders Freuds Erkenntnisse zum Unbewussten sind auch noch heute vollkommen korrekt.
Die Forschung zu Träumen wird heute vorwiegend an Tieren durchgeführt, allerdings mit dem Nachteil, dass die Tiere ihre Träume nicht erzählen können. Auch wenn die für die REM-Phasen im Schlaf zuständigen Gehirnbereiche zerstört sind, wird noch geträumt. Dabei spielt das Dopaminsystem eine wichtige Rolle.

Wann wird das Gehirn durch künstliche Intelligenz ersetzt, so die abschließende Frage. Die affektive Komponente wird nie künstlich möglich sein, so die einhellige Meinung. Auch die Gesichtserkennung ist so komplex, dass sie nur vom Unbewussten, nie aber von Computern durchgeführt werden kann. Das ist doch eine beruhigende Erkenntnis in unserer hochtechnisierten Welt, oder?