Gemeinwohlökonomie kann Caritas entlasten

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Nochmal Christian Felber, nochmal Gemeinwohlökonomie und wieder mit Kopfstand, diesmal beim Caritas-Symposium „Aufbrechen zum Wandel“ in Innsbruck. Den Anknüpfpunkt findet Felber im Wort „Religieren“, das für das Wiederanbinden an das größere Ganze steht und der Analogie, dass die Caritas für das Bindegewebe steht, das zum Teil Schäden reparieren muss, die die Wirtschaft an der Gesellschaft anrichtet. Die Gemeinwohlökonomie könnte rund die Hälfte dieser Fälle in Zunkunft verhindern. Das lässt natürlich aufhorchen, im vollbesetzten Congress-Saal.

Nicht nur Bill Clinton hat schon 2012 geäußert, dass es Zeit für ein neues Wirtschaftssystem ist. 90% der Österreicher und 80% der Deutschen wünschen sich eine neue Wirtschaftsordnung. In den reichen Ländern breitet sich zunehmend immaterielle Armut aus, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Werte immwer weiter verloren gehen. Laut Felber sehen derzeit 70% der Angestellten, die einen durchaus guten und gut bezahlten Job haben, keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit. Viele steigen aus, wie der Innenrevisor einer Bank, der nun Klostergärter ist, oder der Ingenieur bei Daimler, dem es mit seinen 59 Jahren nicht mehr sinnvoll erscheint, elektronische Fensterheber noch weiter zu verbessern.

Die Wertkrise manifestiert sich darin, dass Slogans wie „Geiz ist geil“ allbekannt sind, aber für Freundschaften nicht gelten, und dass die Erfolgschancen derzeit deutlich besser sind, wenn man Geier ist.

Die Gemeinwohlökonomie ist nur ein Angebot unter vielen, das zu einer humaneren, solidarischeren und ökologisch-nachhaltigeren Wirtschaft führt. Alle diese Angebote sind noch klein, könnten aber gemeinsam das ökonomische Modell von morgen prägen.

Felber präsentiert wieder Auszüge aus Verfassungen unterschiedlicher Länder und Bundesländern, nach denen Wirtschaft kein Selbstzweck sein soll, sondern der Gesellschaft dienen soll. In Wahrheit bildet die Wirtschaft heute aber Geiz und Egoismus aus und beeinflusst die Gesetzgebung maßgeblich.

Die Ökosysteme hingegen spielen in wirtschaftlichen Berechnungen keine Rolle, obwohl jeder ökonomische Wert aus der Natur kommt. Geld und Gewinn sind die Oberziele des Wirtschaftens. Warum das so ist, kann aber niemand beantworten. Selbst Aristoteles bezeichnete eine „nur auf Geldgewinn ausgerichtete Wirtschaft“ als „wiedernatürlich“.

Geld ist nur Mittel zum Zweck, der das gute Leben ist. Ebenso ist die Wirtschaft nur Werkzeug und das Gemeinwohl das Ziel für die Wirtschaft. „Ist das Küchenmesser Ziel der Küche?“, fragt Felber in die Runde. Nein, natürlich nicht. Es ist lediglich ein Werkzeug, das aber sowohl sinnvoll zum Schneiden von Gemüse als auch negativ für Gewalttaten verwendet werden kann.

„Das Gemeinwohl sollte Polarstern des gesellschaftlichen Handelns sein,“ hat auch Papst Franziskus verkündet. Bleibt die Frage, wann monetäre Größen wie BIP, Finanzbilanz und ROI Überzielen wie Glück, gutes Leben oder Gemeinwohl als  Erfolgsindikatoren der Wirtschaft weichen. Utopisch ist das nicht, schließlich erstellt die OECD bereits einen Better Life Index, und der Zwergstaat Buthan befragt seine Bürger  zu Gesundheit, Natur, Pausenzeit und zwischenmenschlichen Beziehungen. Würde ein solcher Gemeinwohlindex in jeder Gemeinde erhoben, liesse sich daraus ein nationales Gemeinwohlprodukt ermitteln.

220 Unternehmen in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien erstellen derzeit eine Gemeinwohlbilanz und können damit zwischen -1600 und 1000 Punkten erreichen. Ähnlich der Energieverbrauchsanzeige bei Elektrogeräten ist eine Einteilung in 5 Stufen möglich, die auf jedem Produkt für Transparenz sorgen könnte. Denn diese ist Grundvoraussetzung für rationale Konsumentenentscheidungen. Dieser Punktwert könnte ferner die Höhe von Steuern und Zöllen beeinflussen, so dass ethische Produkte am Ende billiger als unethische Produkte sind.

Zur Globalisierung hat Christian Felber eine klare Meinung. Er sieht sie als politische Entscheidung von denen, die uns vertreten, aber in Wahrheit verraten haben. Gegen freien Handel hat er nichts einzuwenden, sofern Verträge und Konventionen eingehalten werden. Danach würden in der Gemeinwohlökonomie auch Zollaufschläge festgelegt.

Die in Gründung befindliche Demokratische Bank prüft bei einer Kreditvergabe natürlich finanzielle Kriterien. Dazu kommt aber immer die ethische Prüfung, die den Zinssatz bestimmt. Je ethischer das Unternehmen, desto weniger Zinsen zahlt es. Es kann aber auch sein, dass Kreditgesuche komplett abgelehnt werden. Das würde den Schweinezüchter betreffen, der über 50 Schweine hält. Bei 50 Schweinen gilt der höchstmögliche Zinssatz, bei 7 Schweinen, der optimalen Schweinebestandsgröße, der niedrigste. Derzeit erhalten allerdings niederländische Schweinemäster in Deutschland EU-Agrarförderungen für 100.000 Schweine…

Hoffnung kann Felber von der Uni Barcelona vermitteln, wo ein Lehrstuhl für Gemeinwohlökonomie eingerichtet wird. Auch die HAK in Wien wird ab 2015 einen Zweig mit ökonomischen Alternativen, also u.a. der Gemeinwohlökonomie, anbieten. Dabei betont er erneut, dass die GWÖ „nur“ Denkanstöße gibt und demokratische Entscheidungen umsetzt. Neu ist das Konzept auch nicht, allerdings wurde es noch nie für die Wirtschaft umgesetzt.