Soziale Neurowissenschaften mit Prof. Dr. Dr. Spitzer

spitzer

“Menschen sind besser als ihr Ruf”, so der Untertitel von Spitzers Vortrag beim Symposium des Turms der Sinne in Fürth am 27.9.14. Es war ein toller, kurzweiliger Vortrag über das Gehirn, Sozialverhalten, Schmerz, Stress und Hinweisen für eine sinnvolle Gesellschaftsordnung. Hier die wichtigsten Aussagen:

Augen
Die menschlichen Augen zeichnen sich durch große weiße Bereiche aus. Diesen ist es zu verdanken, dass wir leicht einerseits gut erkennen können, wo unser Gegenüber hinschaut und uns andererseits per Blick verständigen können. Wenn der Blick Angst signalisiert, sollte das auch dem Beobachter zu Denken geben, da ihn diese Gefahr möglicherweise auch selbst treffen könnte – sofern er nicht selber der Auslöser ist.
Augen jeglicher Form können auch das Verhalten steuern. Spitzer berichtete von einem Versuch, in dem wechselweise ein kleines Bild (3 x 15 cm) mit Mohnblumen oder mit einem Augenpaar über einer Kaffee-Kasse aufgehängt war. Der Kassensturz und die Hochrechnung über den Milchverbrauch zeigten, dass das Augen-Bild die Zahlungsmoral um das 2,7-fache erhöhen konnte!
Da der Gedanke, dass der liebe Gott alles sieht, für viele Menschen nicht mehr zählt, müssen derartige Tricks oder Videokameras herhalten, um das Verhalten zu lenken.

150
Diese Zahl steht für die ideale Größe einer Gruppe, die ohne innere Hierarchie und Überwachung auskommt. Ermittelt wurde dieser Wert von Dunbar aus dem Verhältnis zwischen Gehirn- und Gruppengröße, zunächst bei Primaten und später auch bei Menschen. Die Firma Gore hält sich übrigens an diese Zahl für Geschäftseinheiten und fährt damit offenbar sehr gut.

Baustelle Gehirn
Mit einigen interessanten Bildern konnte Spitzer zeigen, dass im Gehirn laufend umgebaut wird. Innerhalb weniger Tage wird auf- und abgebaut, und das bei 100 Mrd Neuronen gleichzeitig! Eine Studie mit Londoner Taxifahrern, die unendlich viele Straßen kennen müssen, hat gezeigt, dass der Hippocampus wurde durch das Lernen der Straßen immer dichter wurde. Ähnliche Ergebnisse konnten auch beim Lernen des Jonglierens festgestellt werden.
“Sie sind Ihr Hirn!”, so formulierte es Spitzer kurz und treffend. Das Gehirn ist das wichtigste Organ des Menschen. Deshalb ist es ja auch von Knochen umschlossen und badet in einer Flüssigkeit, um es zu isolieren. Das verhindert natürlich, dass das Gehirn in der Größe wachsen kann. Wachstum bedeutet aber beim Gehirn, dass die Strukturen dichter werden.

Sozialverhalten
Verglichen mit den Lerneffekten ist es deutlich schwieriger, das Sozialverhalten im Gehirn zu untersuchen, da 8 bis 11 Bereiche für Gefühle von Empathie bis Demokratie zuständig sind.
Bei Affen wurde die Dichte des Gehirns vor und nach der Adoleszenz gemessen. Die Affen wuchsen entweder alleine oder mit 2 – 7 Artgenossen auf. Dabei zeigte sich, dass die Dichte des Gehirns mit der Anzahl der Affen im Käfig stieg. Je mehr Sozialverhalten also gebraucht wurde, desto dichter waren die Gehirne.
Auch bei Menschen wurden ähnliche Ergebnisse gefunden. Schnell stellt sich hier die Frage, ob in der heutigen Zeit einen Einfluss der Social Media-Dienste auf das Sozialverhalten gibt. Auf Erwachsene nicht, wohl aber auf Kinder, so Spitzer. Denn 8-jährige, bei denen die Verdrahtung des sozialen Gehirns gerade heftig im Gang ist, brauchen Menschen, um Sozialverhalten zu lernen. Das funktioniert nur im direkten Kontakt, in dem auch Emotionen, Empathie und eine Sprachmelodie transportiert werden, nicht aber am Computer.

Alter
Eigentlich ist das Gehirn erst mit 60 richtig entwickelt, munterte Spitzer die Zuhörer auf, und ergänzte, das das Gehirn generell mit den Aufgaben wächst. Das gilt für jeden Bereich, also auch für das soziale Gehirn.
Ein gutes Sozialverhalten entscheidet über ein längeres Leben, denn die Menschen sterben eher an Einsamkeit. Eine gute Gemeinschaft kann hier wichtige Dienste leisten.
Spitzers empfiehlt Jogging als das beste Gehirnjogging, weil dabei mehr Gehirnzellen wachsen. Von Kreuzworträtseln zum Gedächtnistraining hält er nichts, weil dabei immer nur das gleiche Wissen abgefragt wird. Stattdessen rät er zu einem Enkel, weil der ständig neue Fragen stellt und dafür sorgt, dass neu entstandene Gehirnzellen auch wirklich benutzt werden.

Soweit der 1. Teil des Vortrags. Die Fortsetzung folgt in einem weiteren Beitrag.