Frust in der Arbeit mit dem Flow-Prinzip erklärt

flow

Es ist Montag früh, ich fahre auf dem Weg zur Arbeit tanken. Da sind die Preise an meiner Tankstelle erfahrungsgemäß am niedrigsten. Und auch wenn das Tanken im Börserl nicht wirklich Spaß macht, tanke ich gerne, weil ich weiß, dass es beim Bezahlen immer ein nettes Wort gibt. Der Tankwart wünscht mir auch diesmal wieder einen schönen Tag – ich ihm natürlich auch. “Und dass die Woche schnell vergeht”, schiebt er noch hinterher. Kaum hat er es gesagt, merkt er irgendwie selber, dass das am Montag wohl ein bisschen gewagt ist. “Ich habe diese Woche eh 2 Tage frei”, antworte ich lässig, um ihm seinen Schreck ein wenig zu nehmen.

Die Begebenheit bringt mich aber ins Nachdenken. Denn in der Tat ist unsere Welt ja so gepolt, dass der Arbeitstag als unangenehm gilt und alle das Wochenende herbeisehnen. Auch im Radio klingt das immer wieder an, Mitte der Woche gibt es Durchhalteparolen und am Freitag früh ist die Zielgerade zum Glück schon erreicht.
Kürzlich habe ich sogar ein T-Shirt gesehen, auf dem alle Wochentage von Montag bis Freitag als Sch…Tage bezeichnet wurden.
Wie mag diese Wochenendfixiertheit für die Menschen klingen, die im Schichtbetrieb dafür sorgen, dass auch am Wochenende Bahnen fahren, Kranken geholfen wird, Konzerte stattfinden oder Feuer gelöscht werden, um nur einige Beispiele zu nennen? Das ist der eine Aspekt.

Der andere Aspekt ist aber die Frage, warum Arbeit – egal an welchem Tag – so oft keinen Spaß machen darf. Das haben natürlich schon andere vor mir getan und als Buch veröffentlicht.
Ich habe für mich mit Hilfe des Flow-Konzepts von Mihály Csíkszentmihályi eine Antwort gefunden. Denn wenn ich mir etwas erklären kann, fällt es mir leichter, an einer Lösung zu arbeiten.
Nehmen wir also an, Person A bietet eine gewisse Leistungsfähigkeit. Um damit im Flow-Kanal arbeiten zu können, ist ein entsprechendes Anforderungsniveau nötig.
leistungsfaehiger
Nehmen wir weiter an, dass neben Person A auch Person B mit ihrer individuellen Leistungsfähigkeit im gleichen Bereich arbeitet. Auch für B gibt es einen Anforderungsbereich, bei dem sie im Flow arbeiten kann.
leistungsschwacher
Legt man beide Bilder übereinander, zeigt sich aber, dass sich die beiden Beteiligten nicht auf dem gleichen Leistungsniveau befinden.
vergleich
Es entsteht ein Problem. Entweder fällt Person A (Leistungsstarker) aus dem Flow-Kanal in die Unterforderung und Langeweile oder Person B (Leistungsschwacher) muss im Überforderungs-/Angst-Bereich arbeiten. Die Situation ist für den Leistungsschwächeren sicher unangehmer, so dass er schnell versuchen wird, sie zu beenden. Wenn diese Person auch noch in der Hierarchie höher steht, beisst sich die Angst, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommen könnte, oft mit dem Machtanspruch. Die Person gerät in Stress und das Gehirn aktiviert das archaische Kampfverhalten. Der eigentlich Leistungsfähigere, der in Wahrheit einen höheren Beitrag zum Wohl des Projekts oder Unternehmens leisten kann (und will), wird zurückgewiesen, bekämpft, und davon abgehalten, seine vollen Leistung zu entfalten.
Bleibt man in dieser Flow-Grafik und verzichtet auf die Machtkämpfe, zeigt sich eine offensichtliche Möglichkeit, das Problem zu lösen. Dafür müsste der Leistungsschwächere ein wenig an sich arbeiten, um seine Leistungsfähigkeit zumindest so weit zu erhöhen, dass er das Anforderungsniveau erreichen kann, bei dem der Leistungsstarke gerade in den Flow-Kanal hineinkommt.

Aber ist das überhaupt realistisch? Haben 2 Personen überhaupt identische Flow-Kanäle? Wahrscheinlich nicht. Es wird wohl eher so sein wie in folgendem Bild:
versch-kanaele
Der Leistungsstarke kann bei einem gegebenen Leistungsniveau einfach höhere Anforderungen erfüllen. Vielleicht traut er sich mehr zu, vielleicht ist er wissbegieriger, vielleicht hat er auch einfach mehr Talent – auch wenn sich Markus Hengstschläger gegen ein leichtfertiges “Des hat man oder man hat es eben nicht, und ich hab’ es eben nicht” ausspricht. Egal wie es zustande kommt, in diesem Fall gibt es kein Anforderungsniveau, auf dem sich A und B gleichermaßen im Flow-Kanal befinden. Aber auch hier gibt es natürlich eine vernünftige Lösung, wenn sie denn gewollt ist.

Auf jeden Fall sollte der Leistungsstarke die Möglichkeit bekommt, seine Leistungsfähigkeit voll einzusetzen. Wenn er in einem Gebiet einfach der Beste ist, sollte das genutzt und nicht bekämpft werden. Das hilft der Aufgabe, die besser erledigt wird, das hilft der Person selber und letztlich allen, die irgendwie damit zu tun haben, vom Unternehmen bis zum Kunden.

Ziemlich sicher gibt es ein anderes Gebiet, wo sich die Verhältnisse genau andersherum darstellen, wo B leistungsfähiger ist als A. Und wenn die Spitzenleistungen von A und B kombiniert werden, ist mit Sicherheit mehr möglich, als wenn A unterfordert wird und B viel Energie darauf ver(sch)wendet, seine Unterlegenheit zu vertuschen.

Bleibt es aber beim Kampf B gegen A und erhält sich A dabei hoffentlich trotzdem seine Leistungsfähigkeit, findet das Interessante für ihn fortan nach Feierabend statt, wie es Reinhard K. Sprenger schon vor vielen Jahren geschrieben hat. Dort blühen die Leistungsfähigen auf und vollbringen im Hobby Höchstleistungen. Und genau dann bleiben Feierabend und Wochenende erstrebenswert. Dazwischen wird gelitten und lediglich Lebenszeit verkauft, und Markus Hengstschlägers hätte leider umsonst vor der Durchschnittsfalle gewarnt.

Klingt verständlich, oder? Aber warum setzen noch immer so viele Vorgesetzte Macht vor Flow?