Gemeinwohlökonomie: Christian Felber steht dafür in Rosenheim Kopf

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Wie kommt es, dass Christian Felber als gebürtiger Salzburger die Bayerische Verfassung auf seinem Nachtkastl liegen hat? Als Vorbereitung seiner „Auslandsreise“ zum Vortrag im Rosenheimer Bildungswerk? Nein, ganz anders: Weil in der Verfassung genau das steht, was er in der Gemeinwohlökonomie fordert, nämlich dass die wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl dient.

Nichts Neues also, was der Referent zu bieten hat? Doch, denn dass dieser zunächst ein perfektes Rad schlägt, bevor er den Vortrag beginnt, habe ich noch nicht erlebt! Und das mit der Verfassung kann man auch ganz anders sehen: Wenn das Gemeinwohl dort verankert ist – übrigens nicht nur in Bayern, sondern auch in Italien, der Schweiz und den USA – fordert Felber nichts Utopisches, sondern hat eine solide Grundlage.
Auch die Zeit ist reif, denn in Deutschland und Österreich wünschen sich über 80% der Menschen eine neue Wirtschaftsordnung, so zitiert Felber die Bertelsmann-Stiftung. Dem Wunsch haben in Rosenheim gut 200 Personen die Tat folgen lassen und für einen prall gefüllten Vortragssaal gesorgt.

Höchste Zeit also, dass die Wirtschaft aus ihrem derzeitigen Kopfstand – auch den zeigt Felber live – wieder auf die Füße kommt und sich auf die Anfänge der Wirtschaftswissenschaften besinnt. Sie sind nämlich aus der Moralphilosophie hervorgegangen, d.h. Wirtschaft und Ethik waren vor 250 Jahren noch vereint. Eines Tages allerdings hat sich die Ökonomie von der Ethik befreit und die Geldvermehrung als Ziel des Wirtschaftens betrachtet. So werden Banken, die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte, mit astronomischen Summen gerettet, die es nie für Bildung, Gesundheit oder andere Bereiche gegeben hat.

Die Anfänge und die Erkenntnisse

13 Gründungsunternehmer hatten sich in Österreich verantwortungsvolles, ethisches Handeln auf die Fahne geschrieben, mussten dann aber feststellen, dass ihnen das soziale Agieren Nachteile bringt.
Gewinnstreben und Konkurrenz dominieren die Wirtschaft. Gelungene Beziehungen, so ergibt Felbers schnelle Umfrage im Publikum, werden aber mit ganz anderen Werten in Verbindung gebracht, die Felber zum Begriffspaar Gemeinwohlstreben und Kooperation bringen.

Auch die Politik folgt der Wirtschaft, was Felber mit einer Worthäufigkeitsanalyse aus dem Koalitionsvertrag von 2009 untermauern kann. Die Begriffe „Wettbewerb“ und „Wachstum“ liegen mit 81 bzw. 30 Nennungen uneinholbar an der Spitze, während „Solidarität“ und „Würde“ nur 4 bzw. 3 Mal vorkommen.

Die Zukunft

Zeit also für neue Werte und Maßstäbe. Alle Menschen sollen in der Gemeinwohl-Ökonomie den gleichen Wert haben, die gleichen Rechte, Freiheiten und Chancen genießen und im Idealfall mit dem gleichen Startguthaben ins Berufsleben eintreten. Das Brutto-Inlandsprodukt wird vom Gemeinwohlprodukt abgelöst, das den Erfolg der Volkswirtschaft viel treffender beschreibt. Und es müssen natürlich noch viel mehr als die derzeit 200 Unternehmen werden, die eine Gemeinwohlbilanz aufstellen und damit Rechenschaft ablegen, wie es bei ihnen um Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz bestellt ist. So lassen sich bis zu 100 Gemeinwohlpunkte erreichen, die in Form einer Ampel auf allen Produkten dargestellt werden könnten. Das wäre eine echte Revolution in der Marktwirtschaft, die heute aber oft durch zu große Marktkonzentrationen außer Kraft gesetzt wird.
Die Politik könnte zusätzlich mit Mehrwertsteuer und Zoll steuernd eingreifen, um ethisch agierende Unternehmen zu fördern.

Demokratische Abstimmung über Spitzengehälter

Und wie ist das mit den Spitzengehältern? Wie weit dürfen diese über dem Mindestlohn liegen? Christian Felber „spielt“ mit dem Rosenheimer Publikum um diesen Wert, so wie er es schon tausendfach getan hat. Er misst dabei nicht die Zustimmung für einen Wert, sondern den Widerstand gegen jeden vorgeschlagenen Wert, der 0, 1 oder 2 betragen kann. Der Wert mit dem niedrigsten Widerstand wird zum Sieger erklärt. Rosenheim entscheidet sich für das 10-fache, und hat damit genauso entschieden wie die Wähler in 95% der anderen Spiele. Die Realität liegt in Deutschland aber beim 6.000-fachen, in Österreich immerhin „nur“ beim 1.000-fachen. Die Werte sind verfassungswidrig. Da die Verfassung aber zu ungenau ist, wird eine Klage keinen Erfolg haben.

Wählen in der Gemeinwohlökonomie

Dieses Abstimmungsprinzip gehört zur Gemeinwohlökonomie, die jedem Menschen seine eigene Meinung zugesteht, aber auch verlangt, dass er andere Meinungen erträgt und würdigt. Zur Abstimmung kommt nicht nur ein Vorschlag mit den Alternativen ja und nein, sondern mehrere Vorschläge, von denen derjenige gewinnt, der den geringsten Schmerz aller Wähler auslöst.

Mitmachen!

Wie kann sich die Gemeinwohlökonomie weiter verbreiten? Indem immer mehr Menschen selber nachdenken und für die Demokratie etwas bewegen! Da letztere 2018 in Österreich erst 100 Jahre alt wird, kann man noch keine Perfektion erwarten.

Also, überlegen wir, was über alle Grenzen hinweg das wichtigste für alle Menschen ist, und setzen wir uns dafür ein!

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