Das Haus steht Kopf und die Sinne spielen verrückt


Eigentlich steht das Haus nur auf dem Kopf. Der Boden hat zum Teil ein wenig Gefälle, aber sonst ist er eben. Und trotzdem  spielt unser Gleichgewichtssinn gehörig verrückt. So leistungsfähig unser Gehirn ist (oder sein kann?), so sehr lässt es uns hier im Stich.

aussen2Häuser, die auf dem Kopf stehen, gibt es an verschiedenen Orten und sogar in aller Welt. Die Erfahrungen aus dem Tiroler Haus in Terfens dürften sich überall in gleicher Weise wiederholen. Das Gehirn kommt mit diesen ungewohnten Informationen, die die Augen liefern, nicht klar. Sie passen einfach nicht zum Gewohnten und versetzen den Körper und Geist in Alarmbereitschaft. Angst oder Unwohlsein sind also völlig normale Reaktionen, mit denen sich der Körper schützen will. Also keine Sorge, wenn Ihnen im Extremfall sogar übel werden sollte. Das wäre nur ein Zeichen, dass Ihr Körper eine Vergiftung befürchtet und deshalb eine schnelle Entleerung des Magens anordnet.

Aber schauen wir trotzdem ins Haus, aus dem Sie ja im Fall des Falles schnell flüchten können. Der Eingang für die Besucher befindet sich durch den Kopfstand natürlich im Dachgeschoss des Hauses. Nach dem ersten Schritt über die Schwelle habe ich das Gefühl, dass der Boden schwankt, so als würde das Haus auf dem Giebel hin- und her wippen. Es steht aber fest, einzig der Boden ist etwas schräg. Und trotzdem ist es ein urkomisches Gefühl. Immer wieder stolpere ich wie betrunken herum, muss mich irgendwo festhalten oder stehen bleiben, um mich zu sammeln. Blicke in die Gesichter der anderen Besucher zeigen, dass es ihnen ähnlich geht – zum Glück, denn ich bin wirklich absolut nüchtern. Auch das Begehen der Treppe ist ganz komisch, obwohl es im Grunde eine ganz normale Treppe ist.

feuerwehr-wandDie Ausstattung der Zimmer ist so gehalten, dass für alle Besuchergruppen etwas dabei ist. Kinder fühlen sich im Dachgeschoss in den beiden Kinderzimmer am wohlsten. Hier die rosa Kutsche als Bett und massenhaft Stofftiere an der Decke – eigentlich auf dem Boden – dort das Bett in Form eines Feuerwehrautos und vieles, was junge Eroberer so brauchen. In liebevoller Detailarbeit dient der Feuerwehrschlauch als Spielzeugautobahn und endet in einem echten Feuerwehranschluss als Bestandteil des Wandbildes mit dem wackeren Feuerwehrmann. Würden die Kinder diese Zimmer richtigherum sehen, würden sie wohl ewig bleiben wollen, und sich für zu Hause auch so ein Feuerwehrauto- oder Kutschenbett wünschen.

Was im Mädchenzimmer alles auf dem Boden liegt – von Stofftieren bis zu Täschchen aller Art – und bei normaler Perspektive sicher einen Aufruf zum Aufräumen nach sich ziehen würde, ist hier kein Problem. Denn die normalerweise einengende Wirkung der Dachschräge bietet hier als Trichter Weite nach oben.

eimerUm alle Details – oder zumindest viele – erfassen zu können, muss man sich Zeit lassen, in die Knie gehen und die Objekte im Kopf umdrehen. Denn wie käme man sonst auf die Idee, von unten in den Eimer hineinzuschauen? Auch was auf dem Tisch steht oder – normalerweise – an der Wand darüber hängt, sieht man nur, wenn man die Knie beugt. Kleine Kinder sind also von der Perspektive her eindeutig im Vorteil.

Man darf sich wie zu Hause fühlen und auch den Kühlschrank und die Küchenschränke öffnen. Alles ist gefüllt, und ein Schrank enthält sogar eine schöne Sammlung alter Kaffeemühlen. Bitte im Flur nicht über die alte Nähmaschine und die Hundeecke stolpern…stimmt, die Stolpergefahr ist geringer als die Wahrscheinlichkeit, diese Dinge zu übersehen, denn wer schaut schon immer an die Decke?

Das Wohnzimmer erscheint auf den ersten Blick leer. Tja, leer am Boden, was ja eigentlich die Decke ist. Sitzecke, Essecke, Bar, Fernseher, Kamin – alles ist da, aber nicht da, wo man es erwartet. Und das zeigt, wie viel Raum in einem Zimmer eigentlich leer ist, zumal wenn keine raumhohen Schränke im Raum stehen.
Der Fernseher ist mit einer Kamera verbunden, so dass man sich selber an der Decke klebend sehen kann.

Warum muss man eigentlich beim Betreten der Räume über eine ziemlich hohe Schwelle überwinden? Logisch, raumhohe Türen sind selten, und das Haus steht Kopf!

Der Gleichgewichts- und Orientierungssinn spielen mir in dem Zimmer, in dem noch gearbeitet wird, einen ganz besonderen Streich. Farbeimer stehen herum, eine Leiter dazu, Bohrmaschine, Pinsel und die Deckel der Farbtöpfe liegen auf dem Boden. Eigentlich völlig normal, aber auf dem Kopf ist es einfach ganz was anderes, und irgendwie kann es das Gehirn nur sehr schwer verarbeiten.

Im Bad können große Besucher die Toilette als Haarwaschbecken benutzen, und wer das Parfümregal bewundern möchte, muss den Kopf in die Badewanne stecken. Einzig der Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschine, Boiler und Besen beruhigt die verwirrten Sinne mit seiner Nüchternheit ein wenig.

Eigentlich kann man sich gar nicht satt sehen, entdeckt immer wieder neue Sachen. Aber irgendwann muss man einfach wieder raus in die Welt, in der es richtig herum zugeht. Beim Rundgang um das Haus herum beruhigt sich das Gleichgewichtsgefühl wieder etwas, vielleicht weil man das Objekt als Ganzes sieht und einfach als Haus-steht-Kopf verarbeiten kann. Auch außen gibt es viele Details zu entdecken, von der Sat-Schüssel über Gartengeräte, Fahrrad, Kinderwagen bis zur abgebrochenen Säule vor dem Eingang und zum entwurzelten Keller.

Mein Fazit: Das Haus muss man einfach selber erleben, denn wahrscheinlich sind die Eindrücke individuell verschieden. Am besten geht man zu mehreren und mit Fotoapparat hin, um verrückte Kopfstandbilder machen zu können. Einige Beispiele sind am Ausgang ausgestellt.

Informationen zur Anfahrt, zu Öffnungszeiten und Preisen findet man auf der Webseite von Haus-steht-kopf.