Hello, I am David! – Film mit Tiefgang


David Helfgott ist Pianist. Er galt als Wunderkind, wurde dann aber durch einen Nervenzusammenbruch aus der Bahn geworfen. Statt in den größten Konzerthäusern der Welt verbrachte er viele Jahre in diversen psychiatrischen Kliniken. Erst Gillian, inzwischen seine Frau, bringt ihn wieder zurück zur Musik, ans Klavier und auf die Bühne.

Der Firm “Hello, I am David” begleitet die beiden auf der Tournee mit den Stuttgarter Sinfonikern. Er sorgt für Gänsehaut und regt zum Nachdenken an.

  • Was ist normal?
  • Wer ist normal?
  • Ist normal gut oder eher nicht?

Diese Fragen haben mich als erstes auf dem Heimweg vom Kino beschäftigt. Sicher ist David Helfgott nicht normal. Der spinnt doch, könnte man sogar in manchen Situationen sagen, die der Film zeigt. So begrüßt er beispielsweise in der Warteschlange am Flughafen andere Passagiere mit Handschlag und seinem “Hello I am David”. Er fragt sie, wo sie herkommen und findet passende, nette Worte auf ihre Antwort.

Warum finden wir das nicht normal? Weil es ungewohnt ist. Weil sich die meisten Menschen in Warteschlangen oder auch in öffentlichen Verkehrsmitteln gegeneinander abschotten, bestenfalls auf ihre Handys schauen, aber um keinen Preis der Welt offen auf jemand anders zugehen. Und Stars haben doch sowieso ihre Allüren und kämen nie auf die Idee, von sich aus auf andere Menschen zuzugehen. Sich hier auch nur ein Scheibchen von Helfgott abzuschneiden, wäre eine tolle Sache.
Nicht normal ist es allerdings, wenn Helfgott einfach die Teepackung der Dame am Schalter der Fluglinie einsteckt, weil „sie einfach zu ihm wollte“. Auch den Taxifahrer an der roten Ampel ungeduldig zum Fahren anzutreiben, ist nicht nachahmenswert. Helfgott verhält sich also in manchen Situationen eher wie ein Kind, und seine Frau hat oft alle Hände voll zu tun, damit er keine Schäden anrichtet.

Im Kontrast dazu steht seine Perfektion, sobald er am Klavier sitzt. Jeder Ton sitzt, alles auswendig und in vollem Einklang mit dem Orchester. Auch in der Kommunikation mit dem Dirigenten und den Musikern gibt es keine Probleme. Ganz normal also. Und dann, nach der Probe? Helfgott geht auf einzelne Musiker zu. “Welches Instrument spielen Sie?”, fragt er, und kann auch gleich die Passage nennen, wo das Fagott mit dem Klavier gemeinsam spielt. Und er umarmt den Dirigent nach dem gelungenen Konzert. Normal? Ungewohnt, ja. Aber ist es deshalb auch automatisch schlecht?

“Anders ist besser”, das Zitat von Markus Hengstschläger kommt mir in den Sinn. Wozu kann uns Helfgott inspirieren? Das Positive zu sehen und alles andere auszublenden. Also die Musik zu genießen und sich nicht darüber aufzuregen, dass Helfgott während des Spielens – auch im Konzert – mal mitsingt oder etwas vor sich hin sagt. Bis zu welcher Reihe das im Publikum hörbar ist, blieb allerdings offen.

Anregend anders ist auch der optische Eindruck, den Helfgott in seinem orangefarbenen Oberteil mit Goldstreifen macht und damit das gewohnte Schwarz-weiß verlässt.
Ich hatte während des Films immer mal wieder Bedenken, das irgendwas passiert, dass Helfgott vielleicht auf einem Hotelbalkon Dummheiten macht oder im Konzert doch etwas schief geht. Aber dem war natürlich und glücklicherweise nicht so.

Ehre gebührt sicher Matthias Foremny, dem Dirigent der Stuttgarter Sinfoniker, der sich auf die Konzerte mit Helfgott eingelassen hat. Sie waren sicher für alle Beteiligten nicht nur ein musikalischer Erfolg, sondern auch eine große menschliche Bereicherung.

Wer die Chance hat, den Film zu sehen, sollte sie beim Schopfe packen und unvoreingenommen zusehen und nachwirken lassen. Er ist eine Bereicherung, nicht nur für Musiker, Musikanten und Musikfreunde.