Wie die Motivation garantiert nicht funktioniert

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Prof. Dr. Uwe Kanning von der Osnabrücker Hochschule sorgte beim Symposium turmdersinne 2016 sicher für einen der besten Vorträge, sowohl inhaltlich als durch seine humoristische Art der Darstellung. Er hatte sich die Methoden der großen Motivationsgurus als Thema ausgesucht und diese einer psychologischen Untersuchung unterzogen.

Die Versprechen der Gurus sind groß, aber der Wissenschaftler lässt sie alle wie Seifenblasen platzen. Denn zwei Tricks aus dem Motivationsseminar reichen nicht aus, um erfolgreich zu werden. Motivation alleine nutzt wenig, sondern kann nur im Kombination mit Fachkompetenz und Intelligenz zum Erfolg führen, stellt Kanning klar. Die Motivationsgurus suggerieren allerdings, dass es nur am falschen Denken liegt, wenn manche Menschen nicht erfolgreich sind oder gar krank werden. Alles ist möglich, so lautet ihre Grundthese. Ihre Seminare verändern alles, programmieren das Unbewusste auf Erfolg, verschaffen die Kraft des Tigers oder bringen das Glück – ohne dass der Teilnehmer selber etwas tun muss.
Kanning nennt Namen und zeigt absurde Beispiele, über die das Fachpublikum in der Fürther Stadthalle staunt oder den Kopf schüttelt.

Bei der Formulierung von Zielen sind die Motivationsgurus auch auf dünnem Eis unterwegs. „Immer und überall sein Bestes zu geben“, oder „den Umsatz zu verdoppeln“ sind keine sinnvollen Ziele, weil sie viel zu nebulös und nicht prüfbar sind. Ziele dürfen nicht mit Visionen verwechselt werden, da sie sonst viel zu hoch gesteckt werden. Etwas über dem aktuellen Leistungsniveaus müssen sie aber schon liegen, wobei aber nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Arbeitsleistung nicht unendlich steigen kann, sondern ab einem gewissen Punkt an die Grenzen der Fähigkeiten oder auch von Maschinen stossen wird.

Dass viele Motivationsgurus erfolgreich sind, große Hallen füllen und viel Geld umgesetzt wird, streitet Kanning nicht ab. Warum das so ist, kann er als Wirtschaftspsychologe gut erklären.

  • Spiel mit der Sehnsucht: Ohne Kompetenz und Anstrengung zum Ziel zu kommen ist ein weit verbreiteter Traum, der aber leider nicht funktioniert.
  • Einfache Erfolgsstrategien: Die gezeigten Übungen sind so einfach, dass sie jeder ausführen kann. Der damit versprochene Erfolg ist riesig und verlockend.
  • Erfolgsbeispiele: An Hand der eigenen Geschichte zeigen die Gurus, dass ihre Rezepte funktionieren. Aus dem Nichts sind sie erfolgreich geworden. Scheitern? Konkurs? Sollte das bei ihnen passiert sein, sind natürlich immer die anderen Schuld, von Selbstverantwortung keine Spur, weiß Kanning zu berichten.
  • Referenzen: Der Verweis auf prominente Kunden mit Bildern oder bekannten Firmenlogos wird gerne genutzt und wirkt, weil diese Angaben nicht hinterfragt werden, weder auf ihren Wahrheitsgehalt noch auf die Zufriedenheit der Referenzen. Ähnlich verhält es sich mit dem Verweis auf tausende zufriedene Kunden. Vielleicht hatten sie ja tatsächlich Spaß an der Veranstaltung. Aber ob sie dadurch erfolgreich wurden, bleibt offen.
  • Wissenschaftlichkeit: Diese wird nur vorgegaukelt, wenn vom kosmischen Naturgesetz des Erfolgs gesprochen wird. Mit einem Verweis auf die Hirnforschung wird alles geglaubt.
  • Scheinbelege: Als Beleg für ihre Motivation oder Kraft lassen die Gurus die Teilnehmer über glühende Kohlen oder Glasscherben laufen. Prof. Kanning entzaubert auch diese Mythen und erklärt, wie diese rein physikalischen Phänomene funktionieren.
  • Quasi-religiöse Fundierung: Wenn Gott will, dass ich erfolgreich werde, muss es ja stimmen…
  • Emotionalität: Bei den Seminaren „tobt der Bär“, so Kanning. Dem kann sich keiner entziehen, egal zu welcher Bildungsschicht er gehört. Und so hat es das rationale Denken in der emotionalen Stimmung schwer.
  • Wiederholung: Die gleichen Aussagen kommen immer wieder, denn je öfter man etwas hört, desto leichter glaubt man es und hinterfragt es nicht mehr – der Häufigkeits-Validitäts-Effekt macht sich bemerkbar.

Das waren klare Worte von Prof. Kanning, dem das Publikum gerne noch viel länger zugehört hätte. Die anschließende Diskussion war angeregt und zeigte, dass selbst der Wirtschaft und den Medien der rational-wissenschaftliche Blick auf die Motivationsgurus oft fehlt. Firmen vergeben Freikarten für die Motivationsseminare, weil sie glauben, der Mitarbeiter sei am leichtesten zu veränden. Dabei werden aber Strukturen, Prozesse, Pausen und Maschinen vergessen, gibt Kanning abschließend nochmal zu bedenken.