Gedanken über die Zeit, nicht nur im Tal der Sonnenuhren

sonnenuhr

Ticken wir noch richtig? So lautete der provokante Titel eines Vortrags, den Jonas Geißler vor einiger Zeit 😉 beim Bayerischen Sportkongress gehalten wurde. Die Entwicklung des Zeitgefühls und unser veränderter Umgang mit der Zeit ist mir kürzlich wieder in den Sinn gekommen, als ich das Tal der Sonnenuhren in Niederösterreich besucht habe.

sonnenuhrWie vielfältig Sonnenuhren sein können, habe ich bei einer Führung in der Sonnenuhren-Schmiede Jindra gelernt. Viel Wissen und Liebe steckt in den verschiedenen Sonnenuhren-Typen. Sich auf die Natur zurück zu besinnen, beruhigt und erdet. Und das tun wir in der heutigen Zeit sicher viel zu selten.
Im Vortrag wurden zunächst 3 verschiedene Epochen vorgestellt, die sich durch ihren eigenen Umgang mit der Zeit in Verbindung mit einem Raumverständnis charakterisieren lassen.

Vormoderne
In dieser Zeit wurde noch angenommen, die Erde sei eine Scheibe. Es gab den Himmel, die Natur und den Körper, aber keine Uhren. Gearbeitet wurde im Einklang mit der Natur. Die Ernte stand an, wenn die Natur alles vorbereitet hatte. Man ging Schlafen, wenn man müde war, man aß, wenn man hungrig war. Im Sommer wurde mehr gearbeitet, im Winter weniger, weil das Licht fehlte.

Die Zeit wurde vom Himmel abgelesen, war aber eigentlich kein Thema. Denn die Planung ging maximal eine Saison in die Zukunft. Viel wichtiger war das Wetter. Eine kuriose Parallelität bietet das Französische, denn dort bedeutet “Le temps” sowohl Wetter als auch Zeit. Die Mobilität der Menschen war sehr begrenzt, denn es war damals einfach gefährlich, den vertrauten Bereich zu verlassen.

Moderne
Inzwischen hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Erde tatsächlich eine Kugel ist. Auch das Zeitverhalten hatte sich geändert, denn es gab nun Uhren. Die Sonnenuhr war der erste Schritt, die Zeit zu bestimmen. Sie funktioniert allerdings nur bei Sonnenschein. Deshalb mussten Räderuhren her, die die Zeit auch bei Regen und nachts anzeigen und auch gestellt werden  konnten. Seitdem hat der Mensch die Möglichkeit, die Zeit zu bereinigen und zu beherrschen. Damit wurde es erstmals möglich, Zeit in Geld zu verrechnen. Stadttore konnten nun regelmäßig geschlossen werden, Banken und Versicherungen wurden eröffnet, und die Uhr beeinflusste die Arbeit immer mehr.

Maschinen arbeiteten in Zeitmustern, Beschleunigung war möglich und messbar. Und so mussten sich auch die Menschen nach der Uhr richten, pünktlich sein und schneller werden. Zeit wurde immer mehr in Geld verrechnet, der Takt der Maschine regierte  das Leben, und selbst die Natur, z.B. die Mastdauer von Schweinen, wurde beschleunigt. Der Schritt zum Zeitmanagement war nicht mehr weit.

Postmoderne
Der Globus ist nun ein Netz, neue Technologien sind in den Alltag eingedrungen, aber selbst Lichtgeschwindigkeit kann die Kommunikation nicht weiter beschleunigen. Das Motto lautet: “Alles drin” und verheißt die große Freiheit. Beweglichkeit, Flexibilisierung und Kurzfristigkeit sind angesagt. Das Mobiltelefon zeigt die Zeit, während sich die Uhr vom Gebrauchs- zum Luxusgegenstand entwickelt. Man will immer am Punkt sein, es ist immer Sommer-Schlußverkauf und immer Schnäppchenjagd. Beschleunigung ist alles, Pausen fallen aus.

Ruhepol Sonnenuhr

Nur einer weigert sich beharrlich, hier mitzumachen: Die Sonnenuhr. Sie zählt nur die heit’ren Stunden, macht bei Regen einfach Pause und hat auch keinen unruhigen Sekundenzeiger, der unaufhörtlich in Aktion ist. Dass die Sonnenuhr aber nur Stunden zeigt, ist weit gefehlt. Die findigen Jindras haben Sonnenuhren gebaut, die fast minutengenau gehen, die die Jahreszeit, den Monat oder auch Geburtstage zeigen. An etlichen Hauswänden in Weiten sind Sonnenuhren zu sehen. Im Schaugarten Jindra stehen Sonnenuhren auch auf dem Boden oder ziehren die Sat-Schüsseln. Oft wirft ein Stab den infomierenden Schatten. Er kann aber auch durch einen Wasserstrahl oder eine farbige Glaskugel geworfen werden.

Es war wirklich beeindruckend, was mit der Sonne alles möglich ist und ebenso, was alles beachtet werden muss, wenn eine Sonnenuhr an einem gegebenen Ort funktionieren soll.

Was bedeutet es, eine Sonnenuhr im Garten oder an der Hauswand zu haben? Man nimmt die Sonne sicher intensiver wahr, denn der Blick geht noch öfter zur Sonnenuhr. Man entwickelt auch mehr Gespür für die natürlichen Abläufe, da die Sonnenuhr im Jahreslauf mal vor- und mal nachgeht – verglichen mit der normierten Uhrzeit. Jeder Blick zur Sonnenuhr ist eine kleine Auszeit, denn auf die Minute kommt es ja eigentlich gar nicht an. Geistige Anregung bietet die Sonnenuhr auch, denn der Betrachter muss zumindest an die Sommerzeit denken, entweder die Stunde selber dazurechnen oder die passende Skala finden und auch die anderen Linien oder Punkte richtig interpretieren.

Schauen Sie einfach mal vorbei im Tal der Sonnenuhren, lassen Sie sich faszinieren und denken Sie mal über die Zeit nach.

tal-der-sonnenuhren