Keine Zeit? Doch, Sie müssen sie nur besser nutzen!


Im August gab es schon einen Beitrag mit Gedanken zur Zeit und zu Sonnenuhren. Hier nun geht es weiter zum allzeit aktuellen Thema Zeit, unserem Umgang mit der Zeit und den nicht immer günstigen Folgen.

Heutiger Umgang mit der Zeit
Im Beruf wird beschleunigt, Aktivitäten kennen kaum ein Ende, die Zeit wird verdichtet. Nur aktive Zeiten sind gute Zeiten, meint die Gesellschaft. Im Erwerbsleben Zeit zu haben, gilt als verdächtig, erfordert eine Rechtfertigung oder wird durch Mehrarbeit bestraft.
Gibt es eine Pausenkultur? Eher selten, obwohl sich im Spitzensport gezeigt hat, dass Leistungssteigerungen eher durch qualitative Regeneration erreichbar ist. Zeit zur Erholung und zum Nachdenken gibt es kaum. Man muss ständig verfügbar sein – alles ist rund um die Uhr verfügbar. Früher gab es im Fernsehen einen Sendeschluss, heute müssen wir selber entscheiden, wann wir ins Bett gehen. Die gewonnene Freiheit ist also mit dem Zwang zum Entscheiden gekoppelt. Endet die Arbeitszeit tatsächlich mit Dienstschluss, oder denken wir auch in der Freizeit noch an die Arbeit?

Mehr Zeit für die Familie zu haben, ist ein oft geäußerter Wunsch. Aber Freizeit ist nicht gleichbedeutend mit freier Zeit. Tempo, Tempo, heisst es vielerorts, verspricht mehr Wohlstand, wird aber mit Zeitnotstand erkauft.

gesehen auf der Landesgartenschau Bad Ischl 2015

gesehen auf der Landesgartenschau Bad Ischl 2015

Was bleibt auf der Strecke?
Orientierung, Stabilität, Verlässliches und der Überblick gehen verloren. Es bleibt keine Zeit für Pausen, zur Regeneration, zum Lernen und zum Umsetzen von Ideen. Dabei muss man bedenken, dass Team- und Führungsfähigkeit nur über Reflexion erreichbar ist und nicht aus einem Buch gelernt werden kann.

Im durchschnittlichen Büro-Alltag dauert es maximal 11 Minuten, bis der Arbeitsfluss durch eine eingehende Mail oder einen Anruf gestört wird. Um die Konzentration danach wieder auf das ursprüngliche Niveau zu bringen, sind 15 Minuten erforderlich. Es geht also einiges an Produktivkraft verloren, die Fehlerhäufigkeit und der Leistungsdruck steigen. Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen und den Ressourcen, von Arbeiten im Flow-Kanal kann keine Rede sein, stattdessen vielmehr von selbstschädigenden Verhaltensmustern.

Laut der AOK sind die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen von 1998 bis 2009 um 76% gestiegen. Die WHO prognostiziert, dass psychische Erkrankungen 2020 die zweithäufigste Volkskrankheit sein werden.

Was tun?
Wir haben ein Zeitproblem! Wir müssen schneller werden! Nein, bitte nicht, das hiesse, Öl ins Feuer zu gießen. Es hilft auch kein Projektmanagement mit starren Strukturen. Gefragt sind agile Systeme und vor allem die Entwicklung von Zeitkompetenzen. Die Dinge müssen eher von zeitlicher Seite betrachtet werden. Welche Zeit braucht Lernen? Wieviel Zeit braucht eine Mannschaft, um gut zu werden?

Man muss sich ab und zu Zeit für die Zeit nehmen und die Zeit zum Thema machen. Zeit kann übrigens weder gespart noch gemanaged werden. Jeder kann aber seine eigene zeitliche Situation analysieren, Kollisionen ermitteln und die unterschiedlichen Anforderungen in Balance bringen. So könnte es gehen:

  • Grenzen setzen und verteidigen: Begrenzen Sie Störungen und Multitasking und setzen Sie ein Trennritual zwischen Arbeit und Freizeit.
  • Ein Maß für “genug” entwickeln: Wählen Sie aus, konzentrieren Sie sich auf bestimmte Dinge und verzichten Sie auf andere. Bringen Sie Körper und Geist an eine Stelle, konzentrieren Sie sich auf die momentane Tätigkeit und erstellen Sie Liste mit Dingen, die Sie nicht tun werden.
  • Flexibilität begrenzen: Etablieren Sie stabile Elemente, Anfänge und Abschlüsse, Rituale und Wiederholungen
  • Vielfältige Zeiten leben: Es gibt langsam und schnell und eine sehr große Zeitvielfalt dazwischen. Gestalten Sie Pausenzeiten als Gegensatz zum Vorherigen. Auch Warten kann sich lohnen.
  • Ressourcenzeiten leben und pflegen: Nehmen Sie bewusst wahr, dass Ihr Tun Sinn macht. Pflegen Sie Ausgleich, Austausch und kollegiale Unterstützung. Das stärkt die Selbstwirksamkeit und Sinnerfahrung.